Kinder- und Jugendhilfe: Wir schlagen Alarm – Kindeswohl in Gefahr
Der strukturelle Rahmen in der stationären Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist prekär. Ein Aktionsbündnis soll helfen.
In schwierigen und in Notsituationen steht die stationäre Kinder- und Jugendhilfe an der Seite von Betroffenen. Sie bietet Wohn- und Betreuungsangebote und vor allem Schutz für Kinder und Jugendliche, die nicht zuhause leben können. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen beispielsweise von Vernachlässigung über Gewalt, Sucht bis hin zu Verlust in der Familie. Etwa 6.300 Kinder und Jugendliche sind allein in Schleswig-Holstein betroffen.
Der strukturelle Rahmen in der stationären Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist allerdings prekär. Die Perspektive ist so schlecht wie noch nie und damit alarmierend. So lautet die Bewertung der führenden sozialen Betreuungseinrichtungen des Landes – darunter auch die Diakonie Nord Nord Ost. Deshalb haben diese das landesweite „Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein“ gegründet und am heutigen 13. November im Landesjugendhilfeausschuss in Kiel vorgestellt.
„Die Art und Weise, wie wir junge Menschen stationär versorgen müssen, ist schwierig. Seit Jahren weisen wir darauf hin. Wir sind im Interesse der Kinder, Jugendlichen und Mitarbeitenden in den Einrichtungen nun nicht länger bereit, den Missstand hinzunehmen. Wir haben uns deshalb zu einem Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein zusammengeschlossen – und erhoffen uns hiermit eine Verbesserung der Rahmenbedingungen“, sagt der Sprecher des Aktionsbündnisses Lutz Regenberg von der Diakonie Nord Nord Ost, bei der er als Geschäftsbereichsleiter für die Kinder- und Jugendhilfe verantwortlich ist. Die Diakonie Nord Nord Ost betreibt fünf stationäre Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die sich alle in Lübeck befinden.
Das Aktionsbündnis verweist vor allem auf die schlechte personelle Ausstattung der Hilfen. „Eine Fachkraft betreut bis zu zehn Kinder und Jugendliche stationär“, so Regenberg. „Sie ist damit auch in schwierigen Situationen, die in unseren Hilfen alles andere als selten sind, oft allein im Dienst – das führt immer wieder zu Überforderungen.“
Hintergrund ist, dass die Rahmenbedingungen der stationären Jugendhilfe in den 1980er Jahren festgelegt worden sind und so weitegehend bis heute gelten. „Aber natürlich haben sich die Bedarfe und die Lebensrealitäten verändert – sowohl der Kinder und Jugendlichen wie auch der Mitarbeitenden“, so Regenberg. „Das passt nicht mehr zusammen.“
Das „Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein“ setzt sich insgesamt für folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Lage in der stationären Kinder- und Jugendhilfe ein:
- Doppeldienste: In Kernarbeitszeiten sind zwei Mitarbeitende pro Wohngruppe erforderlich.
- Vollzeitstellen: Jede Einrichtung verfügt über mindestens 7 Fach- und Betreuungskräfte (Vollzeitäquivalente).
- Vergütung: Es gibt 10 Prozent mehr für ein angemessenes Gehalt der Tag und Nacht arbeitenden Fach- und Betreuungskräfte.
- Wirtschaftlichkeit: Die Auslastungsquote wird bei 90 Prozent verbindlich festgelegt, um Betriebsrisiken zu minimieren.
Alle Informationen zum Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein sind online abrufbar unter www.kindeswohl-sh.de
Der Zusammenschluss von führenden Akteuren der stationären Kinder- und Jugendhilfe ist in dieser Form bundesweit einmalig. Zusammengefunden haben sich im Aktionsbündnis Kindeswohl Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein, Caritas im Norden, Diakonie Nord Nord Ost, Diakonisches Werk Husum, Diakonisches Werk Schleswig-Holstein, Elisabethheim Havetoft, Internationaler Bund, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein und der Verbund für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen. Unterstützt wird das Aktionsbündnis zudem von der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände Schleswig-Holstein